Vorbemerkung: Aufgrund der Corona-Situation wurde die heutige Ratssitzung bewusst kurz gehalten. Unsere Fraktionsvorsitzende Hildegard Kuhlmeier hat deshalb nur einen Auszug aus dieser Rede gehalten und die folgende Version zu Protokoll gegeben.
16.12.2021
Haushaltsrede der SPD
Familien entlasten – Schutz vor der Pandemie in den Schulen – Soziale Wohnungspolitik – Klimaschutz
Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 markiert den von allen angestrebten Wendepunkt in der Kaarster Finanzpolitik aus Sicht der SozialdemokratInnen nicht.
Er ist nicht wirklich konsolidiert, das diesjährige Teilziel konnte nur erreicht werden, weil die Grundsteuer B erhöht wird, die Bürgerschaft belastet wird und der Gewinn daraus für die Konsolidierung verwendet wird. Davon sehen die BürgerInnen nichts, lediglich die Zahlen auf dem Papier sind etwas besser, das ist dann eine einsame Zeitungsmeldung und das wars dann.
Der Haushalt lässt wirkliche Einsparmöglichkeiten aber außer Acht, bringt keine Vorschläge, die die Politik im Lauf der letzten Jahre nicht auch schon mal vorgetragen hätte, im Grunde also nichts Neues.
Wir SozialdemokratInnen werden dem Haushalt nicht zustimmen.
Bildung und Familie
Der Haushalt ist nicht sozial. Da, wo aus unserer Sicht mehr für die Zukunft getan werden musste, wird gar nichts getan.
Kinder sind unsere Zukunft. Das klingt gut, aber wir hier tun nicht das richtige. Jede und jeder Einzelne von ihnen verdient Unterstützung in Kita, Schule und Ganztag, die die Basis sind und ein Sprungbrett in ein erfolgreiches Berufsleben. Dafür brauchen Kinder und Familien unser aller Unterstützung. Neben der besten Bildung geht es um Gebühren, die schlicht nicht mehr zeitgemäß sind und für Familien neben den Kosten für Wohnung und Nebenkosten zur dritten Miete werden.
Wir SozialdemokratInnen haben deshalb vorgeschlagen, die Familien zu entlasten. Sie sind in großem Maß die Leidtragenden der gefährlichen Pandemie, mit der wir leben. Homeschooling, Homeoffice, Quarantäne, Verunsicherung. Damit mussten und müssen die Familien fertig werden. Dazu kommen finanzielle Unsicherheiten durch Preiserhöhungen, hohe Wohnkosten, Energiepreissteigerungen und vieles mehr. Was macht die Pandemie eigentlich mit den Kindern, welche Ängste haben sie, wie wirkt sich das auf ihre Entwicklung aus. Was macht das mit den Kindern, die in dieser Zeit geboren werden und worden sind und die Familientreffen nur digital kennen? Die die fremden Menschen, die ihnen auf der Straße oder in Geschäften begegnen, nur mit einem Mundschutz sehen?
Nach unseren Vorstellungen sollten die Kita- und OGS-Beiträge bis auf Null im Jahr 2025 stufenweise abgesenkt werden. Zur Finanzierung haben wir vorgeschlagen, die Grundsteuer B moderat zu erhöhen und die sich daraus ergebende Summe hälftig zur Senkung der Elternbeiträge einzusetzen. Das wäre eine Lastenverteilung auf viele Schultern und eine Investition in die Zukunft gewesen. Den einzelnen Haushalt hätte das nicht mal den Wert eine Schachtel Zigaretten im Monat gekostet, aber die Sorge um die Familien kommt für die Ratsmehrheit nicht in Betracht.
Die Pandemie fordert viel, besonders Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer sind immer wieder infektionsgefährdet. Eine Möglichkeit, diese zu schützen, wäre die Anschaffung und der Betrieb von dezentralen Lüftungsgeräten, wie sie viele kluge Wissenschaftler empfehlen. Aber Kaarst ist da schlauer, wir setzen die Kinder im Unterricht ans geöffnete Fenster und damit ists dann gut. Bund und Land würden 80% der Kosten für die Lüftungsgeräte übernehmen, es wäre zwar immer noch ein großes Projekt, aber wir sehen jetzt schon, dass uns diese Krankheit noch lange Zeit begleiten wird. Kinder sind unsere Zukunft und sie sind es uns wert. Dafür haben wir die Beschaffung solcher dezentraler Lüftungsgeräte beantragt und dafür städtisches Geld als Eigenanteil bereitzustellen. Aber auch hieraus wurde nichts – Sie haben es wieder ohne Debatte abgelehnt.
Wohnen
Wir wollten, dass Kaarst auch in den nächsten Jahren eine Stadt bleibt, die für die Mitte der Gesellschaft bezahlbar ist. In der Wohnen und Gebühren für die Bildung die Familien nicht in finanzielle Nöte bringen.
Wir wollten, dass wieder mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht, damit die Mitte der Gesellschaft nicht überfordert wird mit den rasant ansteigenden Mieten oder Preisen für Grundstücke oder Häuser. Und wir wollten, dass die Stadt nicht der größte Preistreiber bei den Grundstückspreisen ist.
In den nächsten fünf Jahren fallen knapp die Hälfte der öffentlich geförderten Wohnungen in Kaarst aus der Mietbindung. Damit wird Wohnraum zunehmend zu einem Luxusgut und für die Mitte der Gesellschaft nicht mehr bezahlbar. Wir haben vorgeschlagen, dass mit den Hausbesitzern über eine mögliche Verlängerung der auslaufenden Preisbindung verhandelt wird. Außerdem sollte aus unserer Sicht auf städtischen Grundstücken, die für die Wohnbebauung vorgesehen sind, so lange preisgebundene Wohnungen entstehen, bis mindestens der bisherige Bestand an bezahlbaren Wohnungen wieder erreicht ist.
Städtische Grundstücke, die für die Wohnbebauung vorgesehen sind, sollten künftig nicht mehr an Höchstbietende veräußert werden. Die Grundstücke sollten vielmehr in Erbpacht vergeben werden. Das hätte die Preise günstiger gemacht und das Grundstücksvermögen der Stadt langfristig erhalten.
Auch hier von Seiten der Ratsmehrheit Fehlanzeige.
Klimaschutz
Das im Grunde wichtigste Zukunftsthema, wie es auch die neue Koalition im Bund formuliert hat, der Klimaschutz, erhält kaum Raum in diesem Haushalt. Nur das, was gerade zwingend vorgeschrieben ist und was durch Drittmittel finanziert werden kann, wird möglicherweise getan. Hoffentlich gibt’s dafür auch qualifiziertes Personal, das nicht gleich wieder geht.
Viele unserer schon im Lauf des Jahres eingebrachten Vorschläge, die Beitrag gewesen wären zur Entwicklung hin zur Klimaneutralität – wurden ohne Sachdiskussion abgeschmettert. Seit Jahren empfehlen wir, Experten für einen Klimabeirat hinzuzuziehen, um in dieser Sache Entscheidungen aus politischem Kalkül heraus zu vermeiden, sondern sachgerecht mit dem wichtigsten Zukunftsthema umzugehen. Ergebnis – wieder nichts. Andere Städte sind da klüger aufgestellt, und das nicht nur solche, die im Verdacht stehen, irgendwie sozialdemokratisch unterwandert zu sein.
Selbst die konservative Landesregierung stellt jetzt aktuell 40 Millionen zur Verfügung, damit die Kommunen Klimaschutzaktivitäten – von der energetischen Sanierung bis zur klimafreundlichen Mobilität – die infolge der Pandemie ausbleiben oder sich verzögern, realisieren können. Da sind wir mal gespannt, ob Kaarst von diesem Förderprogramm profitieren wird und was sich tun wird.
Positiv anmerken will ich, dass die GWK begonnen hat, die energetische Sanierung der städtischen Gebäude zu planen und überhaupt alle Gebäude in ihrer Substanz zu begutachten, um am Ende festzulegen, wo und wann saniert wird. Das war längst überfällig, unser städtisches Gebäudevermögen wurde lange vernachlässigt. Auch ein Ergebnis jahrzehntelanger konservativer Politik. Da muss dringend nachgesteuert werden, sonst wird das nichts. Und hoffen wir, dass das Thema nicht wieder auf Halde gelegt wird.
Allgemeine Feststellungen – Verwaltung und Poltische Kultur
Der Haushalt ist nicht nachhaltig. Man hat den Eindruck, dass gerne immer kurz gesprungen wird und Einmaleffekte genutzt werden. Aber Nachhaltigkeitsprozesse, die gar mit der Finanzplanung verknüpft werden, sind für uns nicht wirklich erkennbar.
Langfristige Vorsorge ist vonnöten, um die Bedürfnisse künftiger Generationen nicht zu gefährden. Das heißt gleichermaßen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte zu beachten und sicherzustellen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht werden, wie sie sich regenerieren können, die Stadt nicht wirtschaftlich über ihre Verhältnisse lebt und soziale Spannungen in Grenzen gehalten werden.
Das, liebe CDU, hatten Sie jahrzehntelang in der Hand. Und kaum fällt ein einziger Steuerzahler aus, ists vorbei mit der Herrlichkeit.
Auch die Gemeindeprüfungsanstalt hat festgestellt, dass die Jahresergebnisse vor allem durch Gewerbesteuererträge und Steuerbeteiligungen verbessert worden sind, die nur bedingt steuerbar sind.
Verwaltung
Es wäre aus unserer Sicht von Beginn an Aufgabe der Verwaltung gewesen, von sich aus konkrete Vorschläge zu machen für Kürzungen, Steuererhöhungen usw. und nicht uns eine Tabelle mit mehr als 300 Themen vorzulegen, aus denen wir dann aussuchen sollten. Sie haben sich beraten lassen liebe Verwaltung, das hat Geld gekostet, ich meine ca. 50.000 Euro. Das, was dann als Vorschläge auf den Tisch kam, nun ja, das hätten zwei oder drei erfahrene VerwalterInnen aus dem Rathaus und zwei oder drei erfahrenen Politikern aus dem Stadtrat gut auch hinbekommen. Wäre am Ende billiger gewesen. Aber da meinten Sie, eine Legitimation durch Dritte zu benötigen.
Politische Kultur
Die Beratung des Haushalts, über den hier nun abgestimmt wird, hat gezeigt, dass die Koalition den Sparwillen, der noch in den vorangegangenen Sitzungen betont wurde, vielleicht doch nicht wirklich hat. Verehrte Kolleginnen und Kollegen des konservativen Blocks, Sie haben auch nicht darauf verzichtet, in den Haushalt Forderungen einzubringen, die man sich locker hätte sparen und in ein späteres Haushaltsjahr hätte verschieben können. Tattoo-Ausstellung und Trimm Dich Geräte, ja, das ist für Sie wichtig. 100.000 Euro für die Sanierung der Stadtparkbrücke, aber keine Lüftungsgeräte für unsere Schülerinnen und Schüler. Vorschläge zur Finanzierung? Fehlanzeige.
Die Politik, jedenfalls kann ich das für uns SozialdemokratInnen sagen, die sich selbstverständlich einmütig per Zustimmung im Rat für eine Haushaltskonsolidierung ausgesprochen hat, nahm ihre Aufgabe ernst und hat in den Sommerferien – der Termindruck kam aus der Verwaltung – beraten.
Wir Sozialdemokraten hatten dem Konsolidierungsbeschluss im Sommer verantwortungsbewusst und respektvoll beigepflichtet und zugesagt, an der Erarbeitung von Konsolidierungsvorschlägen mitzuarbeiten. Ergebnis unserer in einem Antrag im August formulierten Mitarbeit mit 13 Sparvorschlägen war allerdings, dass die politische Mehrheit, schwarz-grün, im Wirtschafts- und Finanzausschuss unsere Vorschläge ohne fachliche Diskussion pauschal abgelehnt hat. So ist es anderen Fraktionen auch ergangen.
Ja verehrte KollegInnen, so gehen Sie mit den Anträgen der demokratischen Opposition um. Meine Vorgängerin im Amt nannte das Arroganz der Macht. Nach nun sieben Monaten wieder als Mitglied im Stadtrat kann ich persönlich das nur bestätigen.
Unsere Anträge – egal, in welchem Ausschuss sie gestellt wurden – wurden weggestimmt, auch schon mal als Unverschämtheit geschmäht. Sie waren nicht bereit, sich fachlich damit auseinanderzusetzen. Und selbst unsere grundgesetzlich -garantierten Rechte – hier speziell das Demonstrationsrecht, Artikel 8 GG – wurde in öffentlicher Sitzung bestritten. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt Ihres Verhaltens.
Die Haushaltsberatungen haben uns gezeigt, dass sich nach mehr als einem Jahr nichts geändert hat, obwohl doch nun die meisten auch neuen Ratsmitglieder eingearbeitet sein sollten und wissen sollten, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte wichtig für die Entwicklung unserer Stadt ist.
Nein, Sie haben uns wieder unsere Anträge (bis auf 95a) vor die Füsse geworfen, weil sie offenbar die falsche Überschrift trugen, gerne aber auch schon mal einen Antrag, der mit SPD-Überschrift im vergangenen Jahr noch von Ihnen abgelehnt wurde, nun mit Koalitionsüberschrift neu gestellt – ich erinnere hier an Geschwindigkeits-Smileys. Nun gut, es dient ja der Sache, da freuen wir uns über Ihren Erkenntnisgewinn.
Wenn ich die Pressemeldungen des konservativen Blocks der letzten Monate rekapituliere, frage ich mich allerdings manchmal, in welchem Gremium ich eigentlich sitze. Irgendwann müssen doch die Wunden, die das schlechte Abschneiden Ihres Bürgermeisterkandidaten im vergangenen Jahr erzeugt hat, geleckt sein.
Herausgreifen will ich nur als Stichworte mal Ihre Empörung über die Bürgermeisterin:
- die aus Ihrer Sicht schlechte Haushaltseinbringungsrede der BM,
- kein Festakt am Tag der Einheit,
- keine persönliche Präsenz bei einem Stadtfest in unserer Partnerstadt Perleberg (sondern die Stellvertreterin beauftragt),
- angeblich fehlende Abstimmung zwischen Wirtschaftsförderung und Kämmerei bei der Vermarktung unserer Gewerbeflächen.
All das sind Entscheidungen, die die Bürgermeisterin mit der Verwaltungsspitze getroffen hat. Man kann darüber diskutieren und anderer Meinung sein, aber Verfehlungen sind das nicht. Insofern stelle ich fest, dass Ihnen der Respekt vor dem Amt der gewählten BM fehlt, die immerhin bei der vergangenen Kommunalwahl in der Stichwahl alle Wahlkreise für sich entschieden hat. Das haben wir zu akzeptieren. Und nur, wenn sie sich rechtswidrig verhält, müssen wir als Ratsmitglieder das anmahnen. Da gibt’s gesetzliche Regelungen in der Gemeindeordnung.
Zu einem wirklichen Eklat kam es im Sommer, als der Bau eines Parkdecks im Stadtpark auf die Agenda kam. Und als dann ein Bürgerantrag vorgelegt worden ist, mit dem eine Einwohnerversammlung zum Thema Ausdifferenzierung des Stadtparks eingefordert wurde, bekam die Antragstellung in einem Fachausschuss eine ganz neue Qualität, und das nicht zum Besten. Die schwarz-grüne Ratsmehrheit machte Anwürfe gegen die Bürgerinitiative mit aus unserer Sicht bedenklichen Formulierungen. Man fragte sich:
- Haben die Verfasser sich schlicht im Ton vergriffen?
- Ist die Koalition mit ihrer Machtfülle überfordert?
- Oder zeigt sich nur wieder die Arroganz der Macht?
Die Formulierung eines öffentlich vorgelegten Antrags drückt jedenfalls eine ungeheure Wut auf Andersdenkende aus.
Was stand drin? Die Initiatoren des Bürgerantrags, also Kaarster for Future – ein Verein, in dem auch Grüne- und CDU-Mitglieder wie auch SPD-Mitglieder mitarbeiten und Mitglieder sind, werden diskreditiert als …..schamlose populistische Agitatoren, die versuchen, die Bürger mit Halbwahrheiten aufs Glatteis zu führen…..
Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, bedenken Sie: nicht nur die Initiative haben Sie beschimpft, sondern auch Bürger, die Ihnen vielleicht im vergangenen Jahr bei der Kommunalwahl noch ihr Vertrauen geschenkt haben und für die Sie im Stadtrat sitzen, werden hier als verführbare Masse bezeichnet? Da ist aus unserer Sicht mehr als das Tischtuch zerschnitten. Tatsache ist doch, dass die, die unterschrieben haben, wie übrigens auch die, die im Juni an der Demonstration teilgenommen haben, einfach anderer Meinung sind. Das sollte man in einer Demokratie aushalten. Denn: Parteiengezänk ist keine Politik! Politik ist aus unserer Sicht eher ein Teamsport, wir alle sitzen hier und wollen für die Kaarster Bürger das aus unserer Sicht Beste. Welch ein Bild geben wir in der Öffentlichkeit ab, wenn die gewählte Politik die Bürger und die engagierten Menschen unserer Stadt beschimpft?
Wir geben die Hoffnung auf ein besseres Miteinander aber nicht auf und werden weiterhin ernsthaft alle wichtigen Entscheidungen, die anfallen, beraten und unsere Meinung dazu sagen und Anträge stellen. Vielleicht erreichen wir so einen Wendepunkt in der politischen Kultur in Kaarst.
Glückauf