Die Kommunen sind als Erste von den Folgen des Klimawandels betroffen. Das ist keine neue Botschaft, das wissen wir schon lange. Und die Kommune kann vor Ort viel tun. Wir haben deshalb jetzt Maßnahmen, die das Kaarster Klimaschutzkonzept ergänzen sollen, vorgeschlagen. Denn wenn man nicht entschlossen genug beginnt, die Vorhaben zum Klimaschutz auch auszuführen, wird der Klimaschutz für die Zukunft der heutigen Kinder und Jugendlichen immer teurer. Die vorgeschlagenen Maßnahmen betreffen viele Bereiche, angefangen bei der Mobilität bis hin zur Beschaffung und Planung im Rathaus. Der SPD ist es sehr wichtig, dass die Maßnahmen sozial verträglich gestaltet werden, deshalb haben wir solche Schritte vorgeschlagen, die die kleinen und mittleren Einkommensschichten nicht belasten.
Unser Antrag im Wortlaut:
Antrag:
Um die Erderwärmung unterhalb der von den Staaten vereinbarten 1,5 Grad zu halten, sind in den nächsten Jahren entschlossenere Maßnahmen auf allen Ebenen notwendig. Dazu muss auch die Stadt Kaarst ihren Beitrag leisten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2021 verpflichtet dazu, bereits vor 2030 die Weichen für eine klimaneutrale Zukunft zu stellen, und nicht den künftigen Generationen die Hauptlast des Klimaschutzes zu übertragen. Deshalb wird beantragt, die Maßnahmen bereits 2022 zu beginnen, damit sie ihr Wirkung in den nächsten Jahren entfalten können. Dies ist aus Gründen der Generationengerechtigkeit notwendig. Wenn wir jetzt vor Ort die Weichen für eine karbonfreie und nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise stellen, statt die Entscheidungen in die Zukunft zu vertagen, werden wir unserer Verantwortung für die Zukunft der heutigen Kinder und Jugendlichen gerecht. Je länger wir warten, umso teurer wird der Klimaschutz. Klimaschutz muss dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit folgen.
- Die Verwaltung wird deshalb beauftragt, bis zur Dezember-Sitzung des Rates ein Maßnahmenpaket vorzulegen, aus dem hervorgeht, wie das Minderungsziel 2030 konkret erreicht werden soll. Dabei sollen auch die unter II. dargestellten Maßnahmen berücksichtigt werden. Zugleich soll die Verwaltung den Umsetzungsstand der vom Rat im Juli 2019 beschlossenen Maßnahmen darlegen und das erreichte Einsparpotenzial abschätzen.
- Zur Erweiterung des Klimaschutzkonzeptes der Stadt Kaarst schlägt die SPD-Fraktion ergänzende Maßnahmen für die Bereiche Mobilität, Private Haushalte, Energieversorgung, Planung und Beschaffung, Kleine und Mittlere Unternehmen vor.
1. Mobilität
1.1. Parkraumbewirtschaftung:
Die Stadt Kaarst entwickelt ein Konzept für die Parkraumbewirtschaftung. Parkplatzgebühren und Bewohnerparkzonen werden dort eingeführt, wo dies verkehrlich begründbar ist. Insbesondere dort wo Parkdruck besteht oder konkurrierende Nutzergruppen oder die Belastung der Wohnbevölkerung mit Lärm und Abgasen dies rechtfertigen. Behindertenparkplätze sind auszuweisen. Anwohner der Stadtmitte können eine Parkplatzberechtigung auf ausgewiesenen öffentlichen Parkflächen beantragen.
Die Umsetzung des Konzepts soll ab 2022 erfolgen und ertragswirksam werden.
1.2. Mobilitätskonzept
Das in Entwicklung befindliche Mobilitätskonzept wird mit Privilegierung klimaneutraler Mobilität gestaltet. Damit werden Fußgängern, Radfahrern und dem ÖPNV Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt.
1.3. Carsharing
Die Verwaltung setzt sich dafür ein, dass in Kaarst wieder Carsharing angeboten wird.
1.4. Homeoffice
Die Stadtverwaltung setzt für ihre Mitarbeiter:innen die Angebote zum Homeoffice auch nach Corona fort und baut diese aus, wo betriebliche Erfordernisse nicht im Wege stehen. Sie leistet damit einen Beitrag zur Reduzierung von Verkehren. Die Ausgestaltung erfolgt im Benehmen mit dem Personalrat, um die Rechte der städtischen Bediensteten zu sichern.
2. Klimaschutz in privaten Haushalten
2.1. Die Stadtverwaltung entwickelt gemeinsam mit den Stadtwerken und der Verbraucherberatung Angebote zur Energie- und Klimaberatung für private Haushalte. Dies Beratungsangebote zielen darauf den persönlichen „Ökologischen Fußabdruck“ durch Veränderungen im Kaufverhalten, bei der Ernährung und der Mobilität sowie beim Energieverbrauch zu reduzieren.
2.2. Die Stadtverwaltung entwickelt mit der Verbraucherzentrale, der Schuldnerberatung und den Wohlfahrtsverbänden eine Anlaufstelle zur Hilfe bei Energiearmut.
3. Alternative Energieversorgung und regenerative Energien
3.1. Die Stadtwerke werden beauftragt, aktiv auf Privateigentümer:innen und Wohnungseigentümergemeinschaften zuzugehen und ihnen ein Angebot zur Nutzung geeigneter Dächer für die Errichtung von PV-Anlagen im Rahmen eines Contracting-Modells anzubieten. Die Errichtung und der Betrieb können durch die Stadtwerke erfolgen.
3.2. Auf öffentlichen Gebäuden wird der Einsatz von PV-Anlagen auf Dächern, wo immer möglich vorgenommen.
- Planung und Beschaffung
4.1. Für alle vorgesehenen planerischen Entscheidungen der Stadt wird eine ökologische Gesamtbilanz erstellt. Lassen sich Vorhaben nicht klimaneutral verwirklichen, so sind entsprechende Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen.
4.2. Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen ist darauf zu achten, dass künftig nur noch klimaneutrale Gebäude genehmigt werden.
4.3. Die Auswirkungen auf den Landschaftsverbrauch sind so gering wie möglich zu halten. Aufgrund des geringeren Flächenverbrauchs wird der Geschosswohnungsbau künftig gegenüber der Errichtung von Ein- und Mehrfamilienhäusern bevorzugt.
4.4. Der Anteil versiegelter Flächen soll kontinuierlich zurückgeführt werden. Die Verwaltung legt dazu einen Umsetzungsplan vor.
4.5. Bei allen städtischen Bau- und Renovierungsmaßnahmen kommen künftig ausschließlich nachhaltige Baustoffe zum Einsatz.
4.6. Alle gefällten bzw. abgehenden Bäume im öffentlichen Raum werden künftig im Verhältnis 1:2 ersetzt. Auf diese Weise wird die Funktion von Bäumen zur Bindung von CO2 gestärkt.
4.7. Die Verwaltung trägt durch Kontrollen im Rahmen der Bauaufsicht Sorge, dass die Auflagen in Baugenehmigung hinsichtlich der Anpflanzung der Gestaltung von Vorgärten eingehalten werden.
4.8. Die Verwaltung wird aufgefordert, quartiersbezogene Bürger:innentreffs und Workshops zu organisieren, um Maßnahmen zur Verbesserung der Klimabilanz im Wohnumfeld zu entwickeln.
4.9. Die Verwaltung entwickelt ein Konzept für ein nachhaltiges Beschaffungswesen. Durch die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen mit einem geringeren Energie- oder Ressourcenverbrauch kann die öffentliche Hand einen konkreten Beitrag zur Durchsetzung eines wirkungsvollen Klimaschutzes leisten. Sie erfüllt damit auch eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion im Umweltschutz.
5. Klimaschutz in Kleineren und Mittleren Unternehmen
5.1. Die Wirtschaftsförderung wird beauftragt, insbesondere in den Verhandlungen zur Vermarktung der neuen Gewerbegebiete, aber auch bei den Bestandsbetrieben ein Betriebliches Mobilitätsmanagement anzuregen, um für die Betriebe und deren Mitarbeiter:innen nachhaltige Mobilitätsalternativen zu entwickeln. Entsprechende Förderprogramme sind zu nutzen.
5.2. Die Bürgermeisterin wird aufgefordert einen „Klimadialog“ mit den Unternehmen in Kaarst zu beginnen und dabei Möglichkeiten für deren Beitrag zum Klimaschutz zu erarbeiten.
5.3. Um Verpackungsmüll zu vermeiden, wird die Verwaltung beauftragt, mit dem Einzelhandel und den Marktbeschickern Konzepte zu entwickeln, um in den nächsten Jahren das Ziel „zero waste“ zu erreichen.
- Monitoring, Berichterstattung und Begleitung
6.1. Dem Rat wird jährlich ein Fortschrittsbericht vorgelegt, wie die Klimaziele der Stadt umgesetzt wurden und welche Effekte die einzelnen Maßnahmen erzielten.
6.2. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden nicht ausreichen, um die Klimaziele der Stadt zu erreichen. Deshalb wird erneut vorgeschlagen, einen Klimabeirat einzusetzen, der weitere geeignete Maßnahmen entwickelt und die Umsetzung der Maßnahmen begleitet. Dem Beirat sollen Expertinnen und Experten sowie fachkundige Vertreter:innen der Bürgerschaft angehören.
- Die SPD-Fraktion hat in den Jahren 2019 und 2020 mehrere Anträge zum Klimaschutz in der Stadt Kaarst und damit der Minderung der Treibhausgasbelastung gestellt, die in den damaligen Arbeitskreis Klimaschutz verwiesen und dort beraten worden sind. Abschließende Beschlüsse wurden nicht gefasst. Da mit der Konstituierung des neuen Rates die zugrunde liegende Problematik wie oben ausgeführt nicht entfallen ist, wird der Fortgang der Beratungen beantragt. Als Beispiel seien genannt:
- Antrag vom 27.8.2019 auf Halbierung der klimaschädlichen Emissionen der im Verantwortungsbereich der Verwaltung liegenden Bereiche bis zum Jahr 2024.
- Antrag vom 4.2.2020 auf Erstellung einer Übersicht über Flächen, die für Photovoltaik oder alternativ für Begrünungsmaßnahmen geeignet sind – mit Umsetzungskonzept und Finanzierungsplan.
- Antrag vom 4.2.2020 auf Einrichtung von Tempo-30-Zonen anstelle von neuen Radwegen in städtischen Straßen, die den Bau von Schutzstreifen oder Fahrradwegen nicht zulassen, und auf Einführung einer Parkraumbewirtschaftung auf städtischen Parkflächen.
- Antrag vom 25.5.2020 auf Einrichtung einer Tempo-20-Zone auf der Maubisstraße im Bereich Kreisverkehr bis Haus Nr. 40.
Begründung:
Die vorgeschlagenen Maßnahmen ergänzen die mit dem vom Rat am 29.09.2019 Klimaschutzkonzept beschlossenen Vorhaben. Sie verfolgen das Ziel, bis 2050 Klimaneutralität in Kaarst zu erreichen. Dafür müssen insbesondere dort, wo heute die höchsten Schadstoffemissionen auftreten, Maßnahmen ergriffen werden, um diese zu reduzieren. Für die SPD ist es von hoher Bedeutung, dass die Maßnahmen sozial verträglich gestaltet werden. Deshalb werden solche Maßnahmen vorgeschlagen, die die kleinen und mittleren Einkommensschichten nicht belasten.
Zu 1. Mobilität:
Ziel einer nachhaltigen kommunalen Mobilität muss es sein, Verkehre zu vermeiden und auf klimafreundliche Verkehrsträger zu verlagern. Der Verkehrsbereich mit 42% der C02eq muss deshalb einen erheblichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Die Priorisierung des motorisierten Individualverkehrs ist nicht mehr vertretbar. Die vorgeschlagenen Maßnahmen dienen diesen Zielen.
Zu 2. Klimaschutz in privaten Haushalten
37% der C02eq entfallen in Kaarst auf private Haushalte. Neben dem auf Initiative der SPD gestarteten Modellprojekt der „aufsuchenden Beratung“ von Hauseigentümern, sollten Beratung und praktische Angebote beim Umstieg auf weniger energie- und ressourcenintensive Lebensformen helfen.
Zu 3. Alternative Energieversorgung
Die Potentiale für die Erzeugung regenerativer Energie sind bisher im öffentlichen und privaten Gebäudebereich nur unzureichend genutzt. Um dies zu ändern, sollten grundsätzlich alle dafür geeigneten Dachflächen genutzt werden. Entsprechende Angebote und Geschäftsmodelle sollten die Stadtwerke entwickeln.
Zu 4. Planung
Mit Planungsmaßnahmen wird oftmals für einen langen Zeitraum über Klimabelastungen entschieden, die dann kaum mehr rückgängig gemacht werden können. Deshalb ist es erforderlich, dass alle baulichen und infrastrukturellen Maßnahmen, die in den nächsten Jahren realisiert werden können, möglichst klimaneutral sind. Dies gilt nicht nur für die Schadstoffbilanz, sondern auch für den Ressourcen- und Flächenverbrauch.
Zu 5. Klimaschutz in Kleineren und Mittleren Unternehmen
Unternehmen mit mehreren Beschäftigten besitzen mit dem Betrieblichen Mobilitätsmanagement ein geeignetes Instrument, um den Umstieg bei Mitarbeitern, die bisher das Auto nutzen auf eine nachhaltige Mobilität zu fördern. Dabei brauchen sie aber oftmals Unterstützung, die beispielsweise durch ein Projekt der Wirtschaftsförderung geleistet werden soll.
Zu 6. Monitoring, Berichterstattung und Begleitung
Die aufgrund des Klimawandels erforderlichen Transformationen bedürfen eines permanenten Monitorings und der Evaluierung sowie der Erweiterung des Maßnahmenkatalogs. Ein mehrheitlich aus Bürger:innen zusammengesetzter Klimabeirat soll bereits vorgesehen Maßnahmen begleiten, weitere Maßnahmen entwickeln und zugleich zur Akzeptanz der Transformationsprozesse beitragen.